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LVR-Projekt: Biodiversität auf Friedhöfen im westlichen Ruhrgebiet

Im westlichen Ruhrgebiet existiert eine riesige Flächenkulisse von Friedhöfen, darunter große Hauptfriedhöfe, Kleinstfriedhöfe inmitten von Siedlungen sowie historische, parkartige Grabanlagen und Gedenkstätten. Gerade letztere fungieren auch als Orte der Ruhe und Naherholung für die Bevölkerung. Ihr Wert für den Natur- und Artenschutz, für die urbane Biodiversität und die Ökosystemleistungen ist jedoch fast ausschließlich in der Fachwelt bekannt und wird auch dort meist unterschätzt. Auch ihre Bedeutung als Zeitzeugen teils Jahrhunderte alter, kaum veränderter, Kulturlandschaft soll im Rahmen eines durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) geförderten Projektes mittels einer wissenschaftlichen Kartierung mit Schwerpunkt auf der Pflanzenwelt, aber auch besonders schützenswerter Biotoptypen und bemerkenswerter Funde im Bereich der Fauna hervorgehoben werden.

Friedhöfe gehören zu den artenreichsten Lebensräumen im urbanen Raum, bieten gerade in Innenstädten und Stadtquartieren mit einem hohen Versiegelungsgrad ein bedeutendes Element im Biotopverbund und erfüllen dabei zahllose weitere Ökosystemleistungen. Sie bieten klimatische Ausgleiche in innerstädtischen Bereichen und besitzen wichtige Funktionen für Wasserhaushalt und Luftgüte. Durch eine Änderung der Bestattungskultur (z. B. kostengünstigere Kolumbarien) sind viele Flächen jedoch von Umnutzung bedroht.

Durch eine intensive botanische Kartierung gelangen bereits zahlreiche Nachweis bislang unbekannter Standorte von seltenen, gefährdeten oder im jeweiligen Raum ausgestorben geglaubter Pflanzenarten. Durch deren Erfassung und Bekanntmachung rückt der Wert von Friedhöfen als Kulturlandschaftselemente ins Bewusstsein von Politik, Verwaltung, haupt- und ehrenamtlichem Naturschutz und nicht zuletzt von Nutzern. Gezielte und allgemeine Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung, ohne Beeinträchtigung des Betriebs, werden auf Basis der Erkenntnisse anschließend vorgeschlagen.

Flächenkulisse der untersuchten Friedhöfe im Vereinsgebiet

Bislang sind im Vereinsgebiet der BSWR 140 Friedhöfe bekannt geworden. Sie alle werden im Rahmen mehrerer Kartergänge zu unterschiedlichen Jahreszeiten floristisch untersucht. Auf ausgewählten Standorten werden Vegetationsaufnahmen angefertigt. Die Untersuchungsflächen befinden sich in allen drei Naturräumen des westlichen Ruhrgebiets und liegen zudem entweder im urbanen Ballungsraum oder in der Peripherie. Ob und wie sich die Lage der Flächen zusammen mit anderen strukturellen Faktoren auf die Pflanzendiversität auswirkt, kann später anhand des umfänglichen Datensatzes ermittelt werden.  

Kommunikation und Maßnahmenplanung

Neben der biologischen Erfassung gehören die Säulen "Kommunikation" und "Maßnahmenplanung" ebenfalls zum Projekt. Hier werden verschiedene Ebenen bedient - es finden Exkursionen mit Bürger*innen statt, Vorträge auf Fachtagungen werden gehalten und wir sind natürlich in ständigen  Gesprächen mit Behörden und Friedhofsverwaltungen.

Typische Friedhofspflanzen

Neuseeländisches Schaumkraut

Das Neuseeländische Schaumkraut gehört sicher zu den interessantesten Pflanzenarten, die im Rahmen der Friedhofskartierung nachgewiesen wurden. Dabei ist die Verwandtschaft zu heimischen Cardamine-Arten nur auf den zweiten Blick erkennbar. Die Pflanzen werden nur wenige cm hoch und tragen verhältnismäßig große vierzählige Blüten. Die winzigen Pflänzchen wachsen auf Gräbern, teils ragen sie zwischen Bodendeckern hervor, mit dessen Erde oder Pflanzmaterial ihre Samen aller Wahrscheinlichkeit nach unbeabsichtigt an den Standort gelangten. Für Botaniker*innen gehört Cardamine corymbosa zu den bemerkenswerten Neubürgern, bei denen unklar ist, ob sie einmal den Sprung von Friedhofsgräbern in die Siedlung schaffen und sich dort möglicherweise etablieren können. Aktuell gelingen Funde jedoch nur äußerst spärlich und immer in Zusammenhang mit Friedhöfen und Gärtnereien.

Frühlings-Hungerblümchen

Frühlings-Hungerblümchen

Im zeitigen Frühjahr überzieht ein zierlicher weißer Teppich unsere Brachflächen, Ruderalstellen und Wegränder. Um die winzigen Pflänzchen zu erkennen, ist es nötig, niederzuknien und ganz genau hinzuschauen. Es handelt sich um Frühlings-Hungerblümchen aus der Familie der Kreuzblütler. Die winterannuellen Pflanzen bilden ihre Rosetten bereits im Herbst und überwintern in diesem Zustand, sodass sie bei den ersten wärmeren Sonnenstrahlen im Vorfrühling rasch erblühen können. Der deutsche Name bezieht sich auf die mageren Standorte, schöner ist jedoch die Übersetzung des (alten) wissenschaftlichen Namens. So bedeutet Erophila (griech.) frühlingsliebend und verna (lat.) Frühling. Heute wird die Art von Taxonomen jedoch in die Gattung Draba = Felsenblümchen gestellt.

Dreifinger-Steinbrech

Der Dreifinger-Steinbrech gehört zu den eher unscheinbaren weißen Pflänzchen des zeitigen Frühjahres. Dabei macht er seinem Namen alle Ehre. Zwar vermag Saxifraga tridactylites keine Steine zu brechen, so wirkt es aber, wenn die markanten Blätter ab Ende Februar in Mauerfugen oder auf steinigen und mageren Rohböden erscheinen. Die erst länglichen Blätter spalten sich mit zunehmender Entwicklung erst in drei, später sogar in fünf „Finger“ auf. Als Anpassung an den kargen, trockenen Standort sind die Blätter dickfleischig und klebrig-drüsig. Bei starker Sonneneinstrahlung verfärbt sich die Pflanze rot. Später im Jahr sind von der einjährigen Art nur noch die vertrockneten Überreste vorhanden, während die Samen in den Mauerfugen auf das Ende des nächsten Winters warten.

Crocus tommasinianus

Elfen-Krokus

Krokusse gehören zu den sogenannten Stinsenpflanzen – einmal gepflanzt überdauern sie über viele Generationen an einem Standort und zeigen so die menschliche Kulturgeschichte noch nach Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten an. Ihre Arten und Sorten genau zu benennen ist sogar für Botaniker*innen schwierig bis unmöglich, so unübersichtlich ist ihre gärtnerische Vielfalt. Crocus tomasinianus allerdings, mit dem zauberhaften deutschen Namen "Elfen-Krokus", ist der einzige der Art, der bei uns regelmäßig auch im Siedlungsraum verwildert. Er stammt aus Osteuropa und wächst nicht nur in Parks und Gärten, sondern auch in Pflasterfugen. Als Frühblüher ist er eine wertvolle Futterpflanze für früh fliegende Insekten.

Erdbeer-Fingerkraut

In NRW gilt das Erdbeer-Fingerkraut als strenge Berglandart, sodass bislang bekannte Vorkommen im Ruhrgebiet fast ausschließlich die Grenze des Süderberglandes kennzeichneten. Dies ist beispielsweise auf dem Mülheimer Altstadtfriedhof der Fall, der sich in einem spitzen Ausläufer des Süderberglandes befindet, welcher in die Naturräume Niederrheinisches Tiefland und Westfälische Bucht ragt, die das Mülheimer Stadtgebiet biogeographisch untergliedern. Im Rahmen der Friedhofskartierungen wurden jedoch nicht nur einige weitere Funde der Art im Bergland des Essener Südens bekannt, sondern auch einige Vorposten der Art weit im Niederrheinischen Tiefland. Potentilla sterilis besiedelt bevorzugt Friedhofsmauern und Magerrasen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Relikte einer ehemals weiteren Verbreitung der Art im Tiefland, die dem Verschwinden der Magerrasen zum Opfer fiel.

Fremder Ehrenpreis

Der Fremde Ehrenpreis stammt aus Süd- und Mittelamerika und befindet sich offenbar gerade bei uns in Ausbreitung, möglicherweise sogar in Einbürgerung. Auf Friedhöfen ist er bereits regelmäßig zu finden, zunehmend aber auch im Siedlungsbereich. Wahrscheinlich wurde die Art wie so viele Neubürger auf Friedhöfen durch Pflanzmaterial eingeschleppt. Auch er ist eine Art, die man erst einmal im Blick haben muss, um sie überhaupt finden zu können. Während die unteren Laubblätter gekerbt sind, sind die Tragblätter ganzrandig. Veronica peregrina bildet zahlreiche kleine weißliche Blüten. Der Blüten- bzw. Fruchtstand ist dabei auffällig lang und macht einen großen Teil der nur bis zu 15 cm kleinen Pflanze aus.

Glänzender Storchschnabel

Funde von Geranium lucidum auf Friedhöfen sorgten für die botanischen Überraschungen des Jahres. Die heimische Pflanzenart kommt selbst bundesweit nur selten vor, in NRW sind nur vereinzelte Standorte bekannt, z. B. im Hönnetal. Der Glänzende Storchschnabel besiedelt Staudenfluren, Fels- und Geröllfluren, trockenwarme Waldränder, teils auch Mauern. Wie die Art auf Friedhöfe im westlichen Ruhrgebiet gelangt, konnte bislang noch nicht geklärt werden. Vielleicht wurden Samen durch Baumaterialien eingeschleppt. Da die Friedhöfe im westlichen Ruhrgebiet jedoch bislang kaum botanisch untersucht wurden, ist es auch möglich, die Vorkommen hier schon länger existierten und noch nicht durch die Fachwelt registriert wurde.

Pariser Labkraut

Das Pariser Labkraut hat seinen Verbreitungsschwerpunkt im Mittelmeerraum und kommt in der Bundesrepublik nur in wenigen wärmebegünstigten Regionen vor, beispielsweise am Oberrhein, und dort auch nur zerstreut. In NRW ergaben sich in den letzten Jahren ganz vereinzelt Funde auf Industriebrachen oder in Zierrasen. Im Rahmen des Friedhofsprojekt wurde Galium parisiense auf zwei Friedhöfen in Duisburg und Mülheim an der Ruhr nachgewiesen. Möglicherweise wird die Art aber auch aufgrund ihrer unauffälligen Erscheinung und mangels Bewusstseins übersehen.

Ackerröte

Sherardia arvensis gehört zu den vielleicht bemerkenswertesten Pflanzenarten im Ballungsraum. Früher war sie in basenreichen Äckern zu finden, jedoch ist sie dort durch die heutigen Bewirtschaftungsformen nahezu ausgerottet. Gäbe es nicht die mageren Zierrasen der Stadt, stünde die Ackerröte wohl heute sehr hoch auf der Roten Liste. Ihre Blätter stehen in einem sogenannten Quirl um den rauen Stängel, oft wächst die Art jedoch eher kriechend. Durch diesen flachen Wuchs bleibt sie unter der Schnittkante des Rasenmähers. Vegetativ ist sie zwar nur mit etwas Übung von Labkraut-Arten unterscheiden, aber bereits kurz nach dem Schnitt vermag sie von Mai bis spät in den Sommer hinein immer aufs Neue ihre zarten rosafarbigen Blüten hervorzubringen, sodass die Art dann sofort ins Auge springt. Sie gilt heute als typische Stadtpflanze und ist auch auf mageren Zierrasen unserer Friedhöfe häufig anzutreffen.

Balkan-Windröschen

Unser heimisches Buschwindröschen (Anemone nemorosa) kennt ein jeder. Während dieses jedoch Bachauen in naturnahen Wäldern bevorzugt, gibt es auch ein echtes Stadt-Windröschen: Das violettblühende Balkan-Windröschen aus Südosteuropa. Die hübsche Art wird gerne als Frühblüher in Vorgärten oder auf Friedhöfen gepflanzt und verwildert von dort aus zunehmend. Möglicherweise können wir bei der Art derzeit eine Einbürgerung beobachten. Das zweite heimische Gelbe Buschwindröschen benötigt kalkreiche Böden auf naturnahen Stadtorten und kommt bei uns im Ruhrgebiet nur äußerst selten als Außenposten seines Verbreitungsgebietes vor.

Glänzender Ehrenpreis

Die Vertreter der großen und vielgestaltigen Gattung der Ehrenpreise sind nicht immer ganz einfach voneinander zu unterscheiden. Veronica polita zeichnet sich durch himmelblaue Blüten aus und durch rundliche, gleichmäßig behaarte Früchte. Sie gehört typischerweise in die Acker- und Ruderalflora, ist bei uns im Ruhrgebiet allerdings recht selten und Vorkommen der Art sind schon eine kleine Besonderheit. Die meisten Funde gelingen auf Friedhöfen, auf denen aktive Begräbnisse stattfinden. Hier wird der Boden - ähnlich wie im Acker - umgegraben und es werden offene, konkurrenzarme Standorte geschaffen.

Italienischer Aronstab

Arum italicum ist durch seine weißen Zeichnungen auf den Blättern schon auf den ersten Blick gut vom heimischen Gefleckten Aronstab (Arum maculatum) zu unterscheiden. Die Attraktivität der Blätter führte wohl auch dazu, dass die aus dem Mittelmeerraum stammende Art gerne in Gärten oder auch auf Friedhöfen gepflanzt wird. Hier gedeiht sie prächtig und macht wie viele Zierpflanzen weder am Gartenzaun noch am Rand der Grabbepflanzung halt. Verwilderungen sind daher gerade im Siedlungsraum immer wieder anzutreffen.

Breitblättrige Stendelwurz

Auch Orchideen gibt es auf Friedhöfen im westlichen Ruhrgebiet. Darunter eine Art, die tatsächlich als „Friedhofsorchidee“ bezeichnet werden kann: die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine). Fast auf jedem Friedhof ist diese Orchidee zu finden und zeigt mit Beginn des Sommers ihre bräunlich-roten Blüten. Zwar ist Epipactis helleborine auch in der Stadt nicht selten und gehört damit zu unserer einzigen heimischen Orchideenart, die keine Rarität darstellt, jedoch leiden ihre Bestände unter der Eutrophierung von Säumen. Daher sind ihre Bestände, wie die aller Orchideen, völlig zurecht gesetzlich geschützt.

Acker-Filzkraut

Filago arvensis gehört zu den absoluten botanischen Raritäten unserer Flora. Vor Beginn unserer Friedhofsuntersuchungen galt das Acker-Filzkraut im Ruhrgebiet noch als ausgestorben. Selbst in ganz NRW tritt die Art nur äußerst selten auf. Ökologisch ist sie ein starker Magerkeits- und Trockenheitszeiger und siedelt natürlicherweise auf sehr extensiven und mageren, sandigen Äckern und an entsprechenden Ruderalstandorten. Weitere Vorkommen existieren auf Mager- und Trockenrasen. Bislang wurde Filago arvensis auf zwei Friedhöfen im westlichen Ruhrgebiet nachgewiesen und zwar in einem mageren Zierrasen und im Wegschotter.

Biologische Station Westliches Ruhrgebiet e.V.

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Fax 0208/46 86 09-9

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