Kartierungen der A40
Pflanzen an der Autobahn
Botaniker*innen beobachten bereits seit vielen Jahren, dass an Rand- und Mittelstreifen von Autobahnen und großen Straßen eine Reihe bemerkenswerter Pflanzenarten auftreten. Durch Fahrtwind, Regen und Fahrzeuge gelangen sie an diese Standorte und breiten sich z. T. entlang der Straßen aus. Das Projekt "Still-Leben Ruhrschnellweg" im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms 2010 bot die einmalige Gelegenheit, einen 60 km langen Abschnitt einer Autobahn an einem einzigen Tag zu erfassen. In einem Netzwerk aus Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen, der Universität Köln, des Ruhr Museums und verschiedenen Naturschutzverbänden konnten die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet und der Bochumer Botanischer Verein eine systematische floristische Kartierung der A40 vornehmen. Über 70 Wissenschaftler*innen bearbeiteten jeweils Streckenabschnitte von ca. 6 km. Da das gesamte Arteninventar erfasst wurde, können beispielsweise Unterschiede in der Verteilung der Pflanzen entlang der Autobahn ermittelt werden.
Pro Einzelgruppe konnten durchschnittlich um die 200 Arten erfasst werden. Die Gesamtartenzahl liegt bei über 400 Arten. Unter den Pflanzenarten befinden sich zahlreiche Besonderheiten – seltene salzliebende Pflanzen, Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen oder bemerkenswerte Neueinwanderer.
Im Jahr 2020 konnte die Kartierung der Teilstrecke am Autobahnkreuz Duisburg wiederholt werden, als diese nach einem Tanklaster-Unfall aufgrund von Instandsetzungsmaßnahmen gesperrt war.
Die Untersuchungen leisten einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Flora des Ruhrgebiets und liefern Erkenntnisse über Mechanismen und Wege von Linienmigration und Ausbreitungsphänomenen von Pflanzen.
Die Ergebnisse der Kartierungen sind in der Zeitschrift "Natur in NRW" veröffentlicht:
Keil, P., Buch, C., Büscher, D., Fuchs, R., Gausmann, P., Haeupler, H., Jagel, A., Loos, G. H., Kricke, R., Kutzelnigg, H., Sarazin, A. & Sumser, H. (2010): Artenvielfalt auf der A 40 im Ruhrgebiet. – Natur in NRW 2010/4: 11-17.
Buch, C. & Keil, P. (2021): Pflanzenvielfalt an der A40 im westlichen Ruhrgebiet. – Natur in NRW 2/2021: 19–23.
Bemerkenswerte Pflanzenarten an der A40
Krähenfuß-Wegerich
Der Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus) gehört zu den Pflanzen, die eigentlich an unseren Küsten vorkommen, aber entlang der Autobahnen ins Binnenland verschleppt werden. Die Art verträgt verhältnismäßig hohe Salzkonzentrationen, was sie einerseits zum Wuchs auf Salzwiesen und in Dünentälern befähigt, andererseits aber auch für unsere streusalzbeeinflussten Mittel- und Randstreifen der Autobahnen prädestiniert. Fahrtwind, Regenwasser und Autoreifen tun ihr übriges zur Verbreitung. Plantago coronopus blüht im Hochsommer, jedoch sind die Grundblätter so auffällig, dass sie fast das ganze Jahr über gut zu erkennen sind. So lohnt sich im Stau oder an der roten Ampel von Autobahnabfahrten immer ein Blick aus dem Autofenster.
Dänisches Löffelkraut
Cochlearia danica wächst entlang fast jeder Autobahn im Nordwestdeutschen Flachland und sie überzieht dort im März vegetationsarme Mittel- und Randstreifen mit einem weißen, feinen Blütenteppich. Hin und wieder schafft sie den Sprung auf große Bundes- oder Landstraßen. Wie beim Krähenfuß-Wegerich spielt sicher auch beim Dänischen Löffelkraut das Streusalz eine gewisse Rolle. Bei allen Arten aus der Gruppe der Autobahnwanderer ist allerdings auch das Phänomen der Linienmigration entlang der konkurrenzarmen, extremen Standorte nicht zu unterschätzen. Schließlich schaffen es nur die wenigsten Salzpflanzen der Küsten, über die Autobahnen zu uns ins Binnenland vorzudringen und längst nicht jede Pflanze an der Autobahn ist zwingend auch eine Salzpflanze. Wie immer ist das Zusammenspiel zwischen Standort und Pflanze komplex und bei weitem nicht monokausal.